Was gibt es für Methoden beim Führungskräfte Coaching?

Viele an Coaching interessierte Personen stellen sich Führungskräfte Coaching als Anwendung cleverer Techniken und Tricks vor. Passend zu diesem Missverständnis gibt es reichlich Publikationen – inklusive Buchtiteln à la „Die 100 besten Coaching‑Tools“. 

Der Einsatz von Tools (genauer: Interventionstechniken) betrifft lediglich die Ebene des sichtbaren Verhaltens des Coaches. Um mit Coaching‑Tools die gewünschten Prozesse anzustoßen, braucht es eine vorangehende saubere Analyse, theoretische Überlegungen (Hypothesen), eine realistische Prozessarchitektur und eine regelmäßige Evaluation des bisher erreichten. Ohne diese Elemente sieht man im Führungskräfte Coaching schnell den Wald vor lauter Bäumen nicht. Blinder Aktionismus produziert hier bloß kurzfristige Scheinlösungen statt nachhaltiger Entwicklung. 

Führungskräfte Coaches brauchen als Grundlage für ihre Arbeit ein belastbares Theoriemodell als Landkarte, Erfahrung in Prozessplanung und -steuerung. Darüberhinaus muss ein Führungskräfte Coach über ausreichend Vorkenntnisse zu Führung und Organisation verfügen – denn ab Auftragserteilung ist die Organisation immer Mitspielerin im Prozess, auch dann wenn das Coaching ausschließlich im Einzelsetting stattfindet.

Der entscheidende Wirkfaktor ist in jedem Coaching die bewusst gestaltete, empathische Beziehung. “Jede Aktivität der/des Coaches, jede Frage, die formuliert wird, ist eine Intervention, fokussiert die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt, ist strukturierend und wirkt auf die Beziehung zwischen Coachee und Coach. Keine Intervention von Coaches kann beziehungsneutral sein, unabhängig davon, ob damit eine beziehungsgestaltende Absicht verfolgt wird oder nicht.” (Waldl, 2024).

Schulen und Methoden im Führungskräfte Coaching – ein Orientierungsrahmen

Das Feld des Coachings ist durch eine Vielzahl von Schulen geprägt, die auf unterschiedlichen psychologischen, philosophischen und organisationalen Theorien des 20. Jahrhunderts beruhen. Die internationalen Überblickswerke beschreiben Coaching als pluralistisches Feld mit eigenständigen Schulen. Auffällig ist, dass systemische Ansätze im internationalen Vergleich kaum vertreten sind: Im englischsprachigen Standardwerk The Complete Handbook of Coaching (Bachkirova, Cox & Clutterbuck, 2023) werden sie nicht als eigenständige Schule beschrieben – im deutschsprachigen Raum dagegen prägen sie über die Hälfte aller Weiterbildungsprogramme. Das „Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching“ (Greif, Möller & Scholl, 2018) beschreibt rund ein Dutzend unterschiedliche, eigenständige Konzepte. Hier skizziere ich eine Auswahl davon:

Psychoanalytische oder psychodynamische Konzepte

Viele der heutigen Coachingansätze haben ihre Wurzeln in psychoanalytischen Therapierichtungen, die heute häufig unter dem Begriff psychodynamisch zusammengefasst werden. Psychodynamisches Coaching überträgt ein tiefes Verständnis von Organisationen, Führung und innerpsychischen Prozessen auf den Coachingkontext.

Dabei werden neben den sichtbaren Themen auch unbewusste individuelle und organisationale Dynamiken berücksichtigt – etwa Abwehrmechanismen, Ängste oder Widerstände, die das Verhalten des Coachees und der Organisation prägen. Neben funktionalen Aspekten wie Aufgaben, Zuständigkeiten und Rollen werden auch unbewusste Konfliktmuster und charakterliche Prägungen in die Reflexion einbezogen.

Der Coachee wird als Teil eines Kraftfeldes verstanden, das von seiner Persönlichkeit einerseits und der Team- und Organisationsdynamik andererseits bestimmt wird. Vermittelt wird dieses Spannungsfeld durch die verschiedenen Rollen, die er einnimmt. Ziel des psychodynamischen Coachings ist es, durch Bewusstwerdung persönlicher und organisationaler Muster Wachstum, Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit zu fördern – und damit auch die Grundlagen für eine positive, entwicklungsorientierte Führung zu stärken.

Kognitiv-behaviorale Coachingkonzepte

Kognitiv-behaviorales Coaching geht davon aus, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten eng miteinander verbunden sind. Die Art, wie Menschen Situationen wahrnehmen und bewerten, beeinflusst ihr emotionales Erleben und ihre Handlungsweisen.

Im Coaching werden belastende Denkmuster erkannt und durch hilfreichere Perspektiven ersetzt. Ziel ist es, Selbstreflexion, emotionale Balance und konstruktives Verhalten zu fördern. Dieser Ansatz ist strukturiert, lösungsorientiert und unterstützt Coachees dabei, ihren Handlungsspielraum zu erweitern und mehr innere Stabilität zu gewinnen – besonders in herausfordernden beruflichen Situationen.

Lösungsfokussiertes Coaching

Der lösungsfokussierte Ansatz nach Steve de Shazer vermeidet ausführliche Problemanalysen, um den Blick von der Vergangenheit auf mögliche Lösungen zu lenken. Im Mittelpunkt stehen vorhandene Ressourcen und frühere Erfolgserfahrungen der Coachees.

Bekannt ist die sogenannte Wunderfrage, mit der künftige Veränderung imaginativ erfahrbar gemacht wird: „Stellen Sie sich vor, über Nacht geschieht ein Wunder, und Ihr Problem ist gelöst – woran würden Sie am nächsten Morgen als Erstes merken, dass etwas anders ist?“

Dieser Ansatz gilt als wirksam und lässt sich gut ins Coaching übertragen. Er erfordert jedoch Feingefühl, da nicht alle Coachees auf diese Form der Gesprächsführung ansprechen und sie bei wiederholter Anwendung Widerstand auslösen kann.

Das GROW-Modell und zielorientiertes Coaching

Das GROW-Modell beschreibt Coaching als strukturierten Prozess zur Zielerreichung. Die vier Phasen stehen für GoalRealityOptions und Will – also Zielklärung, Analyse der aktuellen Situation, Entwicklung von Handlungsoptionen und konkrete Umsetzungsschritte.

Damit Ziele motivierend formuliert werden, werden häufig die SMART-Kriterien genutzt: spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert. Das Modell ist einfach anwendbar und unterstützt Coachees dabei, Klarheit zu gewinnen, Verantwortung zu übernehmen und konsequent an ihren Zielen zu arbeiten.

Zielorientiertes Coaching basiert auf der Idee, dass Menschen ihre Entwicklung aktiv steuern können. Durch strukturierte Reflexion und systematisches Vorgehen wird die Selbstregulation gestärkt – und damit die Fähigkeit, persönliche und berufliche Ziele wirksam zu erreichen.

Neurolinguistisches Programmieren (NLP)

Das Neurolinguistische Programmieren wurde in den 1970er-Jahren von Richard Bandler und John Grinder entwickelt. Es basiert auf der Analyse sprachlicher und kommunikativer Muster erfolgreicher Therapeut:innen und verbindet Elemente aus Gestalt-, Familien- und Hypnotherapie.

Da viele der theoretischen Annahmen bis heute wissenschaftlich nicht bestätigt sind, gilt NLP als Beispiel für eine pseudowissenschaftliche Theorie. Kritisch gesehen wird auch der Einsatz suggestiver oder hypnotherapeutischer Techniken, insbesondere wenn sie ohne transparente Aufklärung der Coachees, also manipulativ angewendet werden.

Trotz dieser Einwände bleibt NLP in der Coachingpraxis verbreitet. Studien zeigen, dass NLP-Konzepte in Coachingausbildungen in Deutschland eine hohe Popularität erreichen, während sie im internationalen Vergleich – etwa in den USA – deutlich seltener vertreten sind.

Verschiedene systemische Coachingkonzepte

Viele Coachingausbildungen bezeichnen ihre Ansätze als systemisch, doch der Begriff wird sehr unterschiedlich verstanden. In der Fachliteratur wird immer wieder betont, dass es nicht die eine Systemtheorie gibt, sondern eine Vielzahl systemischer Ansätze. Alle größeren Werke zum systemischen Ansatz weisen auf diese theoretische Breite ausdrücklich hin (zB.: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I, Schlippe, Schweitzer, 2016).

Einige Konzepte orientieren sich an der Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann, andere an konstruktivistischen oder familientherapeutischen Modellen. Besonders praxisnah ist die personzentrierte Systemtheorie von Jürgen Kriz, die individuelle, interpersonale und organisationale Prozesse miteinander verknüpft und damit eine Brücke zwischen systemischem und personzentriertem Denken schlägt (siehe: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I, Schlippe, Schweitzer, 2016).

Gemeinsam ist allen systemischen Ansätzen die Überzeugung, dass Verhalten, Kommunikation und Veränderung nur im Kontext sozialer Beziehungen und organisationaler Dynamiken verstanden werden können. Ziel ist es, diese Zusammenhänge sichtbar zu machen und den Coachee zu befähigen, sein Handlungssystem bewusst zu gestalten.

Interessant ist, dass sich im DACH Raum mehr als 50 % der Coaching Anbieter im weitesten Sinn als „systemisch“ orientiert verstehen. In Großbritannien sind es nur circa 2 % und in den USA 0 %.

Mein Ansatz: Führungskräfte Coaching auf Basis der Personzentrierten Systemtheorie (Jürgen Kriz)

Grundgedanken der Personzentrierten Systemtheorie

Die Personzentrierte Systemtheorie (PZS) nach Jürgen Kriz beschreibt menschliches Erleben und Handeln als Zusammenspiel mehrerer miteinander verflochtener Prozessebenen: einer körperlich-leiblichen, einer psychischen, einer interpersonellen und einer kulturell-gesellschaftlichen. Auf jeder dieser Ebenen entstehen dynamische Muster – also stabile Ordnungen, die Komplexität reduzieren, Orientierung geben und Vertrauen ermöglichen.

Solche Muster sind zunächst hilfreich. Sie sorgen für Stabilität in Denken, Fühlen, Handeln und in Beziehungen. Doch sie geraten dann zum Problem, wenn sie sich überstabilisieren, also nicht mehr zu veränderten Lebens- oder Arbeitsbedingungen passen. In solchen Übergangsphasen – etwa bei Rollenwechseln, Führungsverantwortung, Nachfolgeprozessen oder Wachstumsschritten in Unternehmen – treten genau jene Spannungen auf, die im Coaching sichtbar werden.

Die Personzentrierte Systemtheorie erklärt, wie solche Überstabilitäten entstehen und wie sie sich durch Erweiterung von Wahrnehmung und Bedeutung wieder lösen lassen. Veränderung geschieht, wenn das System – ob Person, Team oder Organisation – neue Perspektiven und Handlungsoptionen entwickelt. Fast alle wirksamen Coaching-Interventionen lassen sich aus dieser Logik verstehen: Sie erhöhen die Komplexität des Verstehens und schaffen damit Raum für Selbstorganisation und Entwicklung.

In der praktischen Arbeit bedeutet das, dass ein Anliegen nie nur auf einer Ebene betrachtet werden kann. Ein Teamkonflikt etwa betrifft zugleich psychische Prozesse (z. B. Motive, Bedürfnisse, Kränkungen), interpersonelle Dynamiken (Kommunikation, Rollen, Macht), organisationale Strukturen (Ziele, Entscheidungslogiken) und kulturelle Einbettungen (Werte, Erwartungen, Unternehmensgeschichte). Coaching wird damit zu einer Arbeit an Sinn, Beziehung und Struktur zugleich.

Anstelle starrer Rollenbilder arbeitet die PZS mit dynamischen Bedeutungsfeldern, die sich gegenseitig überlagern – ähnlich wie es reale Teams erleben, wenn Fachsprache, Beziehungserfahrungen und Unternehmenskultur ineinandergreifen. Handlung und Wahrnehmung entstehen genau an diesen Schnittstellen.

Schließlich betont die Theorie die Komplementarität von äußerer und innerer Perspektive: Es genügt nicht, Organisationen nur als Systeme zu analysieren; entscheidend ist auch, wie Menschen ihre Situation subjektiv erleben und deuten. In dieser Verbindung von systemischer und personzentrierter Sichtweise liegt die besondere Stärke der Personzentrierten Systemtheorie – und ihr praktischer Nutzen für Coaching, Beratung und Organisationsentwicklung.

Anwendung der Personzentrierten Systemtheorie im Führungskräfte Coaching

Aus meiner praktischen Erfahrung in Organisationsberatung und Führungskräfte Coaching besteht der besondere Wert der Personzentrierten Systemtheorie darin, unterschiedliche Prozessebenen und ihr Zusammenwirken sichtbar zu machen.
Jürgen Kriz beschreibt in seinem Modell vier zentrale Prozessebenen: die körperliche, die psychische, die interpersonelle und die gesellschaftlich-kulturelle Ebene. Diese versteht er als Mindestanzahl – je nach Fragestellung können weitere Ebenen ergänzt werden. Wie Kriz formuliert:

„Wenn man diese (und viele weitere) Aspekte des ganzheitlichen Zusammenwirkens ordnen will, macht es Sinn, zumindest zwischen vier Prozessebenen zu unterscheiden, die man grob als körperliche, psychische, interpersonelle und kulturelle Prozessebene kennzeichnen kann.“ (Kriz, 2017, S. 13)

Für meine Arbeit mit Führungskräften und Organisationen gehe ich innerhalb der Personzentrierten Systemtheorie noch einen Schritt weiter. Um Coaching- und Beratungsprozesse präziser zu analysieren, ergänze ich eine zusätzliche Prozessebene: die organisationale Ebene.
Gleichzeitig fasse ich die körperliche und psychische Ebene zur personalen Ebene zusammen, weil sie in der praktischen Arbeit untrennbar miteinander verwoben sind – das Denken, Fühlen und körperliche Erleben von Menschen in Führungsrollen bilden eine Einheit.

In meiner Beratungsarbeit bewährt sich daher die Unterscheidung von vier miteinander verbundenen Prozessebenen, die nur zu Analysezwecken getrennt betrachtet werden:

  1. Personale Ebene: innere Dynamiken, Motive, Werte, Emotionen, Selbstbilder.
  2. Interpersonelle Ebene: Beziehungen, Rollen, Kommunikation, Vertrauen, Macht und Loyalität.
  3. Organisationale Ebene: Strukturen, Prozesse, Aufgaben, Entscheidungswege, informelle Regeln und Unternehmenskultur.
  4. Gesellschaftlich-kulturelle Ebene: Markt, Branche, Wertewandel, gesellschaftliche Erwartungen und Diskurse.

Diese Ebenen sind in jedem Moment miteinander verschränkt. Sie beeinflussen sich wechselseitig, nie linear-kausal, sondern rückgekoppelt und dynamisch.
In dieser Vernetzung entstehen selbstorganisierte Ordnungen, die Stabilität und Orientierung schaffen, zugleich aber auch Entwicklung begrenzen können. Gerade im Coaching zeigt sich, dass Veränderung dort gelingt, wo die Verbindung zwischen den Ebenen bewusst gestaltet wird – etwa wenn eine Führungskraft erkennt, wie persönliche Motive, Beziehungsmuster und organisationale Strukturen sich gegenseitig bedingen.

Diese mehrdimensionale Sichtweise ermöglicht es mir, Anliegen im Coaching präzise zu analysieren und Interventionen passgenau zu planen. Ich bleibe dabei immer innerhalb der Logik der Personzentrierten Systemtheorie – einer Theorie, die Denken, Fühlen, Handeln und Kontext als gleichzeitig wirksame Prozesse versteht.

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