Führung im Wandel: Was es heute bedeutet, Führungskraft zu sein
Die Anforderungen an Führungskräfte und damit an Führungskräfte Coaching (Executive Coaching, Business Coaching oder Leadership Coaching) haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt – und die Veränderungen halten an. Führungskräfte müssen heute nicht nur ihre unmittelbaren Führungsaufgaben abarbeiten, sondern sie sind in ihrer täglichen Arbeit von den tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen betroffen, die Organisationen und ihre Mitarbeitenden prägen. Führungskräfte arbeiten heute nicht mehr nur im Unternehmen, sie arbeiten auch laufend am Unternehmen, um den laufenden Veränderungen gerecht zu werden. Worin besteht dieser Wandel und wohin führt die Reise?
Ein Blick zurück zeigt, wie stark sich die Rahmenbedingungen für Führung entwickelt haben. Im Industriezeitalter war Führung stark hierarchisch geprägt. Organisationen funktionierten wie starre Pyramiden: Wie in einer Maschine hatte Jede:r Mitarbeitende eine klar definierte Rolle, Entscheidungen wurden zentral getroffen, und die Arbeitsweise war durch strenge Regeln und Kontrolle vorgegeben. Führungsarbeit war planbar, und das Ergebnis galt als berechenbar.
Dieses Modell ist jedoch längst überholt. Globalisierung, Digitalisierung, demografische Veränderungen und der Klimawandel haben die Dynamik in der Arbeitswelt drastisch erhöht. Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, mit Unsicherheiten, Komplexität und Mehrdeutigkeit umzugehen. Die herkömmliche Vorstellung von Führung als Allmacht und Allwissenheit erweist sich in diesem Kontext zunehmend als unbrauchbar – und kann sogar kontraproduktiv sein.
VUCA und BANI: Neue Modelle für eine dynamische Welt
Die veränderten Anforderungen an Führung wurden zunächst mit dem Konzept von VUCA beschrieben: Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Doch in einer Welt, die zunehmend von globalen Krisen wie Pandemien, geopolitischen Konflikten und disruptiven Technologien geprägt ist, greift dieses Modell oft zu kurz.
Der Zukunftsforscher Jamais Cascio hat deshalb das BANI-Modell entwickelt, das die Realität moderner Führung noch besser abbildet. BANI steht für:
- Brittle (Brüchig): Systeme können leicht zerbrechen und müssen daher flexibel und resilient gestaltet werden.
- Anxious (Angstbesetzt): Unsicherheiten führen zu Ängsten, die überwunden werden müssen, um handlungsfähig zu bleiben.
- Non-linear (Nicht-linear): Entwicklungen verlaufen nicht mehr geradlinig, sondern können sprunghafte Veränderungen mit sich bringen.
- Incomprehensible (Unbegreiflich): Viele Phänomene sind so komplex, dass sie schwer zu verstehen sind.
Diese Bedingungen stellen Führungskräfte vor die Aufgabe, neue Wege zu finden, um Dynamik und Unsicherheit erfolgreich zu managen.
Die Herausforderungen moderner Führung
Die Anforderungen an Führungskräfte gehen heute weit über fachliche Expertise hinaus. Zu den wichtigsten Herausforderungen gehören:
- Selbstorganisation und Eigenverantwortung fördern
Entscheidungen müssen zunehmend dort getroffen werden, wo das Wissen ist – direkt bei den Mitarbeitenden, die am nächsten an den Prozessen und Kund:innen sind. Führungskräfte müssen eine Kultur schaffen, die Eigeninitiative und Selbstorganisation unterstützt. - Agilität und Anpassungsfähigkeit
Starre Strukturen und hierarchische Modelle sind in vielen Organisationen nicht mehr zeitgemäß. Agile Ansätze wie Holokratie, Soziokratie oder Matrixorganisationen erfordern neue Kompetenzen und Denkweisen. - Vielfalt und Inklusion managen
Heterogene Teams bringen wertvolle Perspektiven, erfordern jedoch eine hohe Sensibilität für unterschiedliche Bedürfnisse und Kommunikationsstile. Das Fördern von Genderkompetenz und das aktive Einbeziehen von Frauen in Führungsrollen sind dabei essenziell. - Virtuelle Führung und hybride Arbeitsmodelle
Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert. Führungskräfte müssen Nähe und Vertrauen auch in virtuellen Teams herstellen können und neue Formen der Kommunikation beherrschen. - Konfliktstabilität und Beziehungsmanagement
Spannungen und Konflikte innerhalb von Teams sind unvermeidlich – insbesondere in einem dynamischen Umfeld. Erfolgreiche Führungskräfte zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, diese Konflikte konstruktiv zu lösen und eine Vertrauenskultur aufzubauen.
Wandel in Organisationen: Von der Pyramide zur Agilität
Die klassische hierarchische Pyramide hat in vielen Organisationen ausgedient. Unternehmen suchen nach flexibleren Modellen, die es ihnen ermöglichen, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren. Agile Organisationsformen wie Kreisorganisationen oder Matrixstrukturen setzen auf horizontale Zusammenarbeit und verteiltere Entscheidungsfindung.
Dieser Wandel bringt jedoch große Herausforderungen mit sich. Viele Führungskräfte müssen lernen, Verantwortung abzugeben und gleichzeitig den Überblick zu behalten. Dabei entsteht häufig Unsicherheit: Wie viel Kontrolle ist nötig, und wie viel Freiheit kann gewährt werden? Coaching kann hier helfen, Klarheit zu schaffen und Führungskräfte in ihrer neuen Rolle zu unterstützen.
Frauen in Führungspositionen: Wirtschaftliche Notwendigkeit und kultureller Wandel
Ein weiteres zentrales Thema in der modernen Führung ist die Gleichstellung der Geschlechter. Obwohl die Erwerbsquote von Frauen in Österreich in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist, sind Führungspositionen immer noch überwiegend männlich besetzt. In Zeiten des Fachkräftemangels können Unternehmen es sich jedoch nicht leisten, auf das Potenzial von Frauen zu verzichten.
Programme zur Förderung von Frauen in Führungsrollen und die Etablierung von Frauennetzwerken gewinnen daher zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig müssen männliche Führungskräfte ihre Genderkompetenz erweitern, um eine inklusive Unternehmenskultur zu fördern.
Coaching für Führungskräfte: Steigende Nachfrage, veränderte Anforderungen
Die Nachfrage nach Führungskräfte Coaching (Executive Coaching, Business Coaching oder Leadership Coaching) ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Unternehmen erkennen, dass Coaching nicht nur individuelle Fähigkeiten stärkt, sondern auch zur strategischen Weiterentwicklung der Organisation beiträgt.
Coaching-Anfragen werden dabei immer komplexer. Führungskräfte möchten nicht nur an ihren eigenen Kompetenzen arbeiten, sondern häufig auch Team- oder Organisationsentwicklung einbeziehen. Diese komplexen Anfragen erfordern von Coaches eine umfassende Prozesskompetenz und die Fähigkeit, verschiedene Beratungsansätze zu integrieren.
Fazit: Die Zukunft der Führung gestalten
Die Herausforderungen der modernen Führung sind vielfältig und anspruchsvoll. Führungskräfte müssen sich in einer Welt voller Unsicherheiten, Komplexität und Wandel behaupten. Gleichzeitig bieten diese Herausforderungen die Möglichkeit, neue Wege zu gehen und nachhaltige Veränderungen in Organisationen anzustoßen.
Führungskräfte Coaching spielt eine zentrale Rolle, um Führungskräfte auf diesem Weg zu begleiten. Es schafft Raum für Reflexion, unterstützt bei der Entwicklung neuer Perspektiven und hilft, die Balance zwischen individueller Entwicklung und organisatorischen Anforderungen zu finden.
Im nächsten Teil dieser Blogserie werde ich die praktische Anwendung der Personzentrierten Systemtheorie im Coaching beleuchten. Sie bietet eine wertvolle Grundlage, um die Dynamiken in Organisationen besser zu verstehen und nachhaltige Veränderungen zu fördern.
Lieber Herr Dr. Waldl,
danke für Ihren Blogbeitrag, in dem Sie die großen gesellschaftlichen Zusammenhänge darstellen. Leider wird Führungsarbeit heute immer noch als ausschließlich individuelle Leistung und Leistungsfähigkeit gesehen. Damit wird jede einzelne Führungskraft für nahezu alles in die Verantwortung genommen und in die Überforderung getrieben.
Wir Führungskräfte leisten sehr viel, aber selbst wenn wir übermenschliche Kräfte hätten, würde uns für vieles einfach der Hebel fehlen! Es braucht eine Perspektive die Führungsleistung als Mannschaftssport sieht! Nur eine Mannschaft kann optimal auf Rahmenbedingungen eingehen und Höchstleistungen erbringen!
Wir freuen uns auf das nächste Management Coaching bei Ihnen im neuen Jahr!
Henry
Lieber Henry,
ja, ich kann Ihnen nur zustimmen. Die Personzentrierte Systemtheorie ermöglicht uns im Führungskräfte Coaching zwischen den 4 Systemebenen zu unterscheiden: 1. Personale, 2. Interpersonelle, 3.Organisationale und 4. Gesellschaftlich-kulturelle Prozessebene. Auf jeder dieser Systemebenen stehen uns andere Hebel zur Bearbeitung von Themen zur Verfügung.
Das setzt voraus, dass wir in der laufenden Prozessanalyse die Probleme laufend der entsprechenden Systemebene zuordnen.
Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Team!
Beste Grüße, Robert