Familienunternehmen stehen heute unter doppeltem Druck: Sie müssen sich im Wettbewerb behaupten – und zugleich interne Übergänge zwischen Generationen meistern. Während sich Märkte, Technologien und Kundenbedürfnisse radikal wandeln, bleibt eines erstaunlich stabil: das Bild vom „patriarchalischen“ Gründer oder der zentralen Unternehmerin, die alles steuert und entscheidet.
Doch gerade diese Alleinverantwortung wird in Zeiten wachsender Komplexität zur Belastung. Familienunternehmen brauchen heute andere Führungsmodelle – nicht nur, weil sich die äußeren Rahmenbedingungen ändern, sondern weil die nächste Generation andere Vorstellungen von Verantwortung, Zusammenarbeit und Leadership mitbringt.
Bis vor wenigen Jahren galt es als selbstverständlich, dass nur eine Person aus einer Generation das Familienunternehmen übernimmt. Heute führen immer öfter Geschwisterpaare oder Ehepaare gemeinsam ein Unternehmen – in klar definierten Rollen, aber mit geteilter Verantwortung.
In meiner Beratungspraxis begleite ich Unternehmerfamilien, die bereit sind, neue Wege zu gehen: hin zu geteilten Führungsrollen, gemischten Managementteams und nachhaltigen Governance-Strukturen. Oft ist das eine stille, aber tiefgreifende Revolution. Denn es geht nicht nur um die formale Neuaufstellung der Unternehmensführung, sondern um einen Kulturwandel – hin zu mehr Vertrauen, Kooperation und unternehmerischer Zukunftsfähigkeit.
1. Der Pioniergeist als Stärke – und als Engpass
Viele erfolgreiche Familienunternehmen sind das Werk einer Einzelperson. Mit Energie, Mut und einem untrüglichen Gespür für den Markt haben sie Märkte erschlossen, Produkte entwickelt, Netzwerke aufgebaut. Dieses unternehmerische Momentum prägt das Unternehmen oft über Jahrzehnte hinweg. Doch gerade diese Pionierfigur, die alles selbst entscheidet, wird im Übergang zur nächsten Generation zum Flaschenhals.
Denn: Wenn alle Fäden bei einer Person zusammenlaufen, fehlen Strukturen, die Mitverantwortung ermöglichen. Potenziale im Unternehmen bleiben ungenutzt. Führungskräfte unterhalb der Spitze wissen nicht, was von ihnen erwartet wird – oder resignieren.
Der Weg zu moderner Führung beginnt daher mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme: Wie ist Führung aktuell organisiert? Wie werden Entscheidungen getroffen? Und vor allem: Welche Rolle will die scheidende Unternehmergeneration in Zukunft einnehmen?
2. Die zweite Führungsebene – ungenutzt oder unterschätzt
In vielen Familienunternehmen ist die Expertise für modernes Management längst vorhanden – sie wird aber nicht systematisch eingebunden. Die zweite Führungsebene kennt die operativen Abläufe, die Herausforderungen der Kundenbeziehungen, die informellen Netzwerke im Betrieb. Doch oft fehlt ihr der formelle Einfluss.
In der Begleitung von Übergabeprozessen ist es ein zentrales Ziel, diese zweite Ebene sichtbar zu machen und zu stärken. Das bedeutet: Zuständigkeiten klären, Entscheidungsräume schaffen, Entwicklungsgespräche führen. Wenn diese Personen in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen sollen, brauchen sie auch heute schon eine klare Perspektive.
Ein häufiges Missverständnis: Der Aufbau einer zweiten Führungsebene ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen unternehmerischer Weitsicht. Wer als Unternehmer:in loslässt, macht Platz für Wachstum – nicht für Kontrollverlust.
3. Führung als Teamleistung – vom Gründer zum Führungsteam
Moderne Führung ist keine Einzelleistung mehr. Komplexe Märkte, agile Produktentwicklung, internationale Expansion – das alles verlangt Expertise in vielen Bereichen: Finanzen, HR, IT, Marketing, Recht, Produktion. Die Ära des „Allrounders an der Spitze“ geht zu Ende.
In Familienunternehmen zeigt sich dieser Wandel oft in der Bildung von Führungsteams oder geteilten Geschäftsführungen. Manchmal übernimmt die nächste Generation im Duo oder Trio die Leitung. Manchmal wird eine gemischte Geschäftsleitung aus familieninternen und externen Mitgliedern aufgebaut. Wichtig ist dabei, die Rollen klar zu definieren und Entscheidungsprozesse transparent zu gestalten.
Ich begleite Unternehmer:innen dabei, ihre Verantwortung neu zu denken – nicht als Abgabe, sondern als Transformation. Wer ein starkes Führungsteam formt, sichert nicht nur die Nachfolge, sondern erhöht auch die Innovationskraft des Unternehmens.
4. Der stille Übergang: Vom CEO zum Aufsichtsratsvorsitz
In manchen Fällen wird die Unternehmensführung an ein rein externes Management übergeben – etwa wenn keine familieninternen Nachfolger:innen bereitstehen, wenn diese noch zu jung sind oder wenn der Wunsch besteht, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Doch auch hier zeigt sich: Die Rolle der Unternehmerfamilie endet nicht. Sie verändert sich.
Ein möglicher nächster Schritt: Der oder die bisherige CEO übernimmt den Vorsitz im Aufsichtsrat oder Beirat. In dieser Funktion bleibt die Verbindung zur Unternehmensidentität gewahrt, gleichzeitig wird die operative Führung entlastet. Es entsteht eine neue Form der Verantwortung – strategisch, beratend, wertschätzend gegenüber der nächsten Generation.
Diese Übergänge gelingen nicht von selbst. Sie brauchen eine bewusste Vorbereitung, einen klaren Rollenwechsel – und ein klares Commitment beider Seiten. Ich unterstütze dabei mit Coaching, Moderation und Unternehmenssentwicklung, um alte Muster sichtbar zu machen und neue Perspektiven zu ermöglichen.
5. Wenn Führung zur Familienfrage wird
In Familienunternehmen ist Führung nie nur eine betriebswirtschaftliche Frage. Es geht immer auch um Vertrauen, Anerkennung, Loyalität – und oft um alte familiäre Geschichten, die mit in den Besprechungsraum getragen werden. Wer führt? Wer folgt? Wer darf entscheiden – und wer nicht?
Deshalb ist es entscheidend, die Übergabe der Führung nicht nur organisatorisch zu regeln, sondern auch emotional gut zu gestalten. Das bedeutet: Konflikte frühzeitig ansprechen. Erwartungen klären. Die verschiedenen Stimmen im Unternehmen und in der Familie hören.
Gerade bei Geschwisterkonstellationen oder bei Übergaben an Schwiegerkinder ist Klarheit gefragt. Ich begleite diese Prozesse mit einem systemischen Blick: Welche Beziehungen wirken im Hintergrund? Welche unausgesprochenen Loyalitäten verhindern eine offene Kommunikation? Wie können alle Beteiligten ihren Platz finden – ohne Gesichtsverlust?
Ein bewährtes Instrument in der Nachfolgeplanung von Familienunternehmen ist die Entwicklung einer Familienverfassung. Sie ist kein juristischer Vertrag, sondern ein gemeinsam erarbeitetes Orientierungsdokument. Darin werden zentrale Fragen zur zukünftigen Führung des Unternehmens, zur Rollenverteilung in der Familie und zu Entscheidungswegen frühzeitig besprochen und in Grundzügen vereinbart – idealerweise viele Jahre vor dem eigentlichen Generationswechsel.
Eine gute Familienverfassung schafft Transparenz und Verlässlichkeit. Sie stärkt das Vertrauen zwischen den Generationen, erleichtert die Nachfolge und unterstützt die langfristige Zusammenarbeit zwischen Familiengesellschaftern und externem Management. In meiner Beratung zur Führung von Familienunternehmen und zur Nachfolgeplanung in Wien und darüber hinaus ist die Arbeit an einer Familienverfassung oft ein zentraler Baustein.
6. Leadership 2030: Vertrauen, Kooperation, Resilienz
Was bedeutet Führung in einer Welt, die sich rasant verändert? Für Familienunternehmen geht es nicht mehr nur um Kontrolle und Steuerung. Es geht um Sinnvermittlung, Motivation, Orientierung. Gute Führung schafft Räume für Verantwortung, nicht Anweisungen.
Die nächste Generation bringt neue Werte mit: Kooperation statt Hierarchie, Partizipation statt Ansage. Das ist kein Risiko – das ist eine Chance. Familienunternehmen, die bereit sind, diese Werte zu integrieren, erhöhen ihre Resilienz. Sie werden attraktiv für neue Talente, sie bleiben relevant für Kund:innen, sie sichern ihren Bestand für die nächsten Jahrzehnte.
Fazit: Zukunft sichern heißt Führung weiterentwickeln
Führung in Familienunternehmen neu zu denken heißt, mutige Fragen zu stellen: Wer soll in Zukunft führen – und wie? Welche Kompetenzen brauchen wir im Unternehmen? Welche Rolle wollen wir als Familie spielen?
Die Antwort auf diese Fragen ist nicht von der Stange. Sie entsteht im Dialog – zwischen Generationen, innerhalb von Führungsteams und mit externen Begleiter:innen.
Als Coach für Familienunternehmen, Organisationsberater und Mediator für Familienunternehmen unterstütze ich Sie dabei, diese Dialoge zu gestalten. Für eine Zukunft, in der Verantwortung geteilt, Vertrauen gelebt und Führung wirksam wird.
Sie stehen vor einem Generationswechsel oder möchten die Führung in Ihrem Familienunternehmen neu aufstellen?
Lassen Sie uns gemeinsam herausfinden, ob ich der richtige Partner für Ihr Anliegen bin.