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1. Einleitung: Wenn Familie und Verantwortung aufeinandertreffen
Wenn in Unternehmen von Governance die Rede ist, denkt man zuerst an Corporate Governance – also an die Prinzipien der verantwortungsvollen Unternehmensführung: klare Zuständigkeiten, Transparenz, Kontrolle und Rechenschaftspflicht. Doch während Corporate Governance auf die professionelle Steuerung von Unternehmen zielt, braucht es für Unternehmerfamilien ein eigenes, ergänzendes Konzept: Family Governance.
In Unternehmerfamilien sind Emotionen, Tradition und wirtschaftliche Interessen untrennbar miteinander verwoben. Gerade darin liegt ihre Stärke – und ihre Verletzlichkeit. Denn was in der Gründerphase eines Familienunternehmens oft durch intuitives Handeln und familiären Zusammenhalt funktioniert, stößt in der zweiten oder dritten Generation an seine Grenzen. Hier setzt der Begriff Family Governance an: eine bewusste, strukturierte Form der Zusammenarbeit innerhalb der Unternehmerfamilie, die Stabilität, Fairness und Zukunftssicherheit schafft.
Family Governance schafft Strukturen, die es Familien ermöglichen, ihr Verhältnis zueinander, zum Unternehmen und zum Eigentum klar und zukunftsfähig zu gestalten. So wie gute Corporate Governance Stabilität und Wachstum fördert, schützt gute Family Governance die Beziehungen, den Zusammenhalt und das gemeinsame Erbe der Familie.
2. Die Dynamik in Unternehmerfamilien: Mehr als nur ein Generationenkonflikt
Unternehmerfamilien sind komplexe soziale Systeme. Sie leben von einer starken inneren Verbindung – aber auch von ungesagten Erwartungen, alten Verletzungen, unklaren Rollen und Konflikten zwischen den Generationen.
Typische Spannungsfelder sind:
- Nachfolgefragen: Wer übernimmt wann welche Rolle?
- Machtverteilung: Wie wird Verantwortung geteilt oder übergeben?
- Kommunikationsprobleme: Emotionale Altlasten behindern sachliche Gespräche
- Rollenkonflikte: Familienmitglied vs. Gesellschafter:in vs. Führungskraft
- Vermögenskonflikte: Gewinnausschüttung vs. Akkumulation
Gerade weil Familie und Unternehmen so eng verflochten sind, führen ungelöste familiäre Konflikte oft zu unternehmerischer Lähmung. Hier kann eine professionelle Mediation für Familienunternehmen helfen, Klarheit zu schaffen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.
3. Was bedeutet Family Governance?
Family Governance beschreibt die Regeln, Prozesse und Strukturen, mit denen Unternehmerfamilien ihre internen Beziehungen, ihre Kommunikation, ihre Mitwirkung am Familienunternehmen und ihre Beteiligung am Eigentum gestalten. Sie stellt sicher, dass Entscheidungen nicht nur im Sinne des Unternehmens, sondern auch im Sinne des familiären Zusammenhalts getroffen werden. Dazu gehören:
- Gemeinsame Werte und Leitlinien
- Klare Rollenverteilungen in der Familie, im Unternehmen und Eigentum
- Gremienstrukturen wie Familienrat oder Beirat mit klaren Aufgaben und Verantwortlichkeiten
- Transparente Entscheidungsprozesse
- Regelmäßige Familienversammlungen
- Regelmäßiger Informationsaustausch in strukturierten Formaten
- Mechanismen zur Konfliktlösung (z. B. durch Mediation)
Ziel von Family Governance ist es, Konflikten vorzubeugen, Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern und die Handlungsfähigkeit der Familie langfristig zu sichern. Als zentraler Bestandteil meiner Beratung und Coaching von Familienunternehmen bildet sie die Basis für eine zukunftsfähige Nachfolgeplanung.
4. Wo sind alle Regeln niedergeschrieben? Die Familienverfassung als Fundament
Eine gute Family Governance braucht nicht nur Gespräche und gute Absichten – sie braucht ein gemeinsames Regelwerk. Genau hier kommt die Familienverfassung ins Spiel: Sie ist das zentrale Dokument, in dem sich die Unternehmerfamilie auf ihre Werte, Rollen, Entscheidungswege und Zukunftsperspektiven verständigt. Anders als ein juristischer Vertrag ist sie ein lebendiges, gemeinsam entwickeltes Orientierungsinstrument.
Die Familienverfassung beantwortet zentrale Fragen. Die vier wichtigsten sind:
- Was sind unsere Werte und Ziele?
Was wollen wir mit unserem Unternehmen erreichen – und warum machen wir das gemeinsam?
Welche langfristigen Ziele verfolgt die Familie – für sich selbst und für das Unternehmen? - Wer übernimmt welche Aufgaben – in der Familie und im Unternehmen?
Wie unterscheiden sich die Rollen als Familienmitglied, Gesellschafter:in und Führungskraft – und wer übernimmt welche Rolle?
Wie treffen wir Entscheidungen – und wer ist in welche Entscheidungen einbezogen?
Wie sichern wir den Informationsfluss zwischen aktiven und nicht aktiven Familienmitgliedern?
Klare Rollen helfen, Missverständnisse zu vermeiden und schaffen Orientierung.
Wichtig ist, dass Jede und jeder weiß, was von ihm oder ihr erwartet wird. - Wie gestalten wir den Generationenwechsel frühzeitig und vorausschauend?
Welche Möglichkeiten haben wir bei der Nachfolge?
Wie soll der Übergang zur nächsten Generation gestaltet werden?
Welche Kriterien gelten? Welche Prozesse helfen, den Wechsel gut zu gestalten?
Eine klar geregelte Nachfolge bringt Sicherheit und schafft Vertrauen – für alle Beteiligten. - Wie gehen wir mit Konflikten um? Was passiert, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt?
Welche Verfahren zur Konfliktlösung haben wir vereinbart?
Klare Abläufe helfen, Streit frühzeitig zu erkennen – und fair zu lösen.
Die Erarbeitung einer Familienverfassung ist oft der erste große Meilenstein im Aufbau einer tragfähigen Family Governance. Sie schafft Verbindlichkeit, ohne juristisch zu überfordern, und sie ermöglicht oft erstmals den Dialog über zentrale Zukunftsfragen – in strukturierter Form.
Wichtig: Eine Familienverfassung wirkt nur, wenn sie im Dialog entsteht. Vorformulierte Muster helfen dabei wenig. In meiner Arbeit begleite ich Unternehmerfamilien durch den gesamten Prozess – von der Rollenklärung bis zur konsensualen Formulierung der Inhalte. So wird die Familienverfassung zum echten Fundament für die nächste Generation.
5. Rollen klären: Wer bin ich in dieser Familie?
Viele Konflikte entstehen, weil die Familienmitglieder mehrere Rollen gleichzeitig einnehmen: Tochter, Gesellschafterin, Führungskraft. Ohne Klärung der Erwartungen an diese Rollen und ohne explizite Regeln entstehen Missverständnisse und Loyalitätskonflikte.
Ein hilfreiches Instrument ist das Drei-Kreise-Modell (Familie – Unternehmen – Eigentum). Es hilft, die eigene Position zu reflektieren:
- Wer gehört zur Familie, aber nicht zum Unternehmen?
- Wer ist Gesellschafter:in, aber nicht operativ tätig?
- Wer ist beides und hat Entscheidungsgewalt?
Rollenklärung schafft Transparenz und Respekt – und ist die Basis für konstruktive Kommunikation.
6. Fallbeispiel: Drei Schwestern, ein Ziel
Die Familie Berger (Name und Unternehmensbranche wurden in diesem Fallbeispiel verändert) betreibt ein erfolgreiches Maschinenbauunternehmen. Nach dem plötzlichen Tod des Gründers übernehmen seine drei Töchter als Gesellschafterinnen Verantwortung. Die eine arbeitet bereits seit 15 Jahren im Familienunternehmen, die zweite lebt im Ausland, die jüngste Tochter möchte sich einbringen, weiß aber nicht wie.
Ohne klare Family Governance geraten sie in Streit über Ausrichtung, Gewinnverwendung und Kommunikation. Erst durch einen moderierten Klärungsprozess entsteht ein Familienrat. Eine Familiencharta regelt Zuständigkeiten und Entscheidungswege. Der Zusammenhalt stärkt sich, das Unternehmen gewinnt an Stabilität.
7. Family Governance im Generationenwechsel
Gerade beim Übergang von einer Generation zur nächsten zeigt sich, wie tragfähig die Strukturen der Family Governance sind. Unklare Erwartungen, Ängste vor dem Loslassen oder ungelöste Geschwisterkonflikte können die Unternehmensübergabe massiv behindern. Eine gut abgestimmte Family Governance hilft dabei, diese Prozesse frühzeitig zu gestalten, Rollen zu definieren und die Kommunikation zu professionalisieren.
In meiner Nachfolgeberatung für Familienunternehmen arbeite ich mit einem systematischen Modell, das fünf Prozessebenen berücksichtigt: Person, Familie, Unternehmen, Eigentum und Gesellschaft. Dieses Modell hilft, die Übergabe nicht nur als rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorgang zu sehen, sondern als tiefgreifenden Transformationsprozess.
8. Konflikte als Chance: Die Rolle der Mediation
Konflikte in Familienunternehmen sind oft unausweichlich – doch sie müssen nicht zerstörerisch sein. Im Gegenteil: Richtig begleitet, können sie zu einem Katalysator für Veränderung werden. Professionelle Mediation für Familienunternehmen schafft einen geschützten Raum für Klärung, gegenseitiges Verständnis und tragfähige Vereinbarungen. Dabei geht es nicht nur um akute Streitfälle, sondern auch um Prävention zukünftiger Spannungen.
Mein Angebot umfasst strukturierte Konfliktklärung in Form von Einzel- und Gruppengesprächen, moderierten Workshops und kontinuierlicher Prozessbegleitung. Ziel ist es, nicht nur aktuelle Herausforderungen zu lösen, sondern die Konfliktkultur insgesamt zu verbessern.
9. Instrumente der Family Governance
Je nach Unternehmensgröße und Generationenzahl können unterschiedliche Instrumente der Family Governance hilfreich sein:
- Familiencharta oder Familienverfassung
- Familienrat oder Beirat mit klaren Entscheidungsstrukturen
- Moderierte Eigentümergespräche
- Retreats und Familienforen zur Beziehungspflege
- Coaching einzelner Familienmitglieder
In meiner Beratung und Coaching von Familienunternehmen kombiniere ich diese Formate individuell. Dabei steht immer die Frage im Zentrum: Was braucht diese konkrete Familie – jetzt und in Zukunft?
10. Verankerung durch Beratung und Mediation
Eine strukturierte Family Governance entfaltet ihre Wirkung nur, wenn sie auch gelebt wird. In meiner Praxis verbinde ich systemisches Denken mit langjähriger praktischer Erfahrung in der Arbeit mit Familienunternehmen – ergänzt durch strukturierte Formate wie Moderation, Familienworkshops und Mediation für Familienunternehmen.
Ausführliche Informationen zu meinem Angebot finden Sie unter: waldl.com/coaching-fuer-familienunternehmen
11. Fazit: Gute Governance bedeutet gute Beziehungspflege
Family Governance ist kein Projekt, das man einmal abschließt. Sie ist ein lebendiger Prozess. Unternehmerfamilien, die bewusst Strukturen schaffen, miteinander sprechen und Rollen klären, schaffen die besten Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg und familiären Zusammenhalt.
Gute Family Governance steht der Corporate Governance in nichts nach – sie ergänzt sie dort, wo emotionale Bindungen, generationenübergreifende Verantwortung und langfristige Perspektiven zählen.
Wer zu früh auf Rechtsanwälte und Verträge setzt, ohne vorher familiäre Dynamiken zu verstehen, riskiert mehr, als er gewinnt. Wer hingegen emotionale Intelligenz, psychologische Reflexion und strategische Strukturen verbindet, macht den Unterschied.
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